Logo Stadt PüttlingenDie Köllertalstadt

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, 

am 20. September 2023 werden in Püttlingen vier Stolpersteine verlegt. Die Bürgerinitiative „Erinnerungskultur Püttlingen“, befasst sich schon seit Monaten mit den Recherchen um die Opfer des zweiten Weltkrieges. Nun wurden die Leidens- und Lebensgeschichten von vier Euthanasieopfern recherchiert, denen wir in diesem Jahr gedenken möchten. Aber die Stolpersteine sollen nicht nur an die Vergangenheit erinnern, sondern uns allen immer wieder zeigen, dass ein solches Unrecht nie wieder geschehen darf. Familien und Freunde der getöteten Menschen leiden auch heute noch, nach so langer Zeit unter der Ermordung ihrer Lieben.

Wir werden wöchentlich im Öffentlichen Anzeiger die Lebensgeschichten dieser Frauen und Männer vorstellen, die ihr Leben im Dritten Reich verloren haben. Ich möchte erwähnen, dass die Bürgerinitiative Erinnerungskultur Püttlingen auch weiter die Schicksale Betroffener recherchiert. So widmen sich die ehrenamtlichen Mitglieder dieser Gruppe mit ihrer Arbeit auch den jüdischen, homosexuellen, politisch Verfolgten, aber auch dem Mord an zwei jungen Soldaten, die zum Ende des 2. Weltkrieges in Köllerbach hingerichtet wurden.

Vielleicht erinnern Sie sich noch an Menschen, denen in dieser Zeit Unrecht geschehen ist und Sie möchten die Initiative mit Ihren Kenntnissen, Fotos etc. unterstützen oder Sie sind an einer Mitarbeit interessiert, dann wenden Sie sich doch bitte an das Kulturbüro der Stadt Püttlingen, Telefon 06898/691-150. Meine Mitarbeiterinnen stellen gerne den Kontakt zu dem Sprecher der Gruppe, Herrn Martin Schmidt, her.

Bleibt mir nur noch „Danke“ zu sagen. Danke für die großartige Arbeit, die von den Ehrenamtlichen hier geleistet wurde, aber auch „Danke“ den Familien, die bei der Aufarbeitung der Schicksale mitgewirkt haben, das war sicher nicht immer leicht. Sie alle haben meinen und unseren Respekt verdient.

Denise Klein

Bürgermeisterin

„Du bist wie eine Farbe. Nicht jeder wird dich mögen. Doch es wird immer jemanden geben, dessen Lieblingsfarbe du bist.“
(Unbekannt)

Maria Alt wurde am 04.08.1914 in Köllerbach in der Bärenbergstr. 48 (heute 124) als Tochter von Maria geb. Altmeyer und Ludwig Alt geboren. Maria hatte zwei ältere und zwei jüngere Brüder sowie eine jüngere Schwester war ledig und half ihrer kranken Mutter im Haushalt. Diesen führte sie nach dem Tod ihrer Mutter weiter. Einen Beruf hat sie nicht erlernt. Nach dem Tod ihrer Mutter (1938), einer gescheiterten Liebesbeziehung und der Evakuierung Anfang September 1939 nach Bebra wurde durch den Hausarzt Dr. Göring im Evakuierungsgebiet am 26.10.1939 ein Attest mit folgendem Wortlaut ausgestellt: „…besteht eine seelische Depression mit vorwiegend ruhigem Charakter, eine dringende Notwendigkeit, die Kranke in eine Anstalt zu bringen, besteht nicht – wenigstens nicht zur Zeit….“. Nur eine Woche später, am 02.11.1939 wies zuvor genannter Arzt Maria wegen einer Depression in die Landesheilanstalt Merxhausen ein. Es wurde ein ausgiebiger Schriftverkehr zur Übernahme der Pflegekosten in Höhe von 2,50 RM pro Tag geführt. Am 22.06.1940 bat der Vater den Direktor der LHA Merxhausen, Maria wegen der geplanten Rückführung der Familie ins Saarland zu entlassen. Bereits vier Tage später wurde die Bitte aufgrund der psychischen Situation abgelehnt. Eine Aufforderung des RMdI (Reichministerium des Innern) erreichte die Landesheilanstalt Hain und Merxhausen am 28.06.1940 (sh. Manfred Klüppel: Euthanasie S. 31), wonach für alle Patienten der Meldebogen 1 ausgefüllt an das Reichsministerium zurückgeschickt werden sollte. Marias Diagnose lautete am 01.07.1940 :  „Schizophrenie, Hauptsymptome: autistisch, verschroben, halluziniert, grimassiert, manieriert, dement; Endzustand: ja; ist mit Entlassung demnächst zu rechnen: nein;“ Dieser Meldebogen war Grundlage für die Verlegungslisten in die Tötungsanstalten. Marias Vater hat sich, nach der Rückkehr der Familie nach Köllerbach, erneut am 07.10.1940 an den Direktor der LHA Merxhausen gewandt und sich nach dem Befinden seiner Tochter erkundigt und erneut angefragt, wann er Maria abholen kann. Die Antwort des Direktors folgte bereits am 10.10.1940 mit folgendem Wortlaut: „Wegen ihres unberechenbaren Verhaltens bedarf unsere Patientin für zunächst nicht absehbare Zeit der weiteren Behandlung in einer geschlossenen Anstalt für Geisteskranke.“ Die Recherchen ergaben, dass am 07.02.1941 folgender Eintrag, „In letzter Zeit Gewichtsabnahme….“ in die Krankengeschichte erfolgte. Und einen Tag später folgte eine Mitteilung der LHA Merxhausen, dass Maria fieberhaft erkrankt sei. Es handele sich um eine Erkrankung der linken Lunge, die ernsthafter Natur zu sein scheint. – evtl. Möglichkeit einer ungünstigen Entwicklung – Bitte, die übrigen Angehörigen zu verständigen. Am 25.02.1941 wurde die Erkrankung an offener Lungentuberkulose angezeigt, allerdings ohne Erregernachweis! Der Vater bat in einem Brief am 23.03.1941 darum, Maria in eine heimatnahe Heilanstalt zu verlegen. Diese Bitte wurde am 27.03.1941 mit der Begründung eines schlechten körperlichen Allgemeinbefindens, abgelehnt. Wörtlich heißt es da: „Eine Entlassung nach Hause ist wegen der starken Unruhe und der Ansteckungsgefahr gänzlich ausgeschlossen.“ Zwei weitere Einträge in die Krankengeschichte Marias vom 10.04.1941 und 28.04.1941 lauten: „Geht sichtlich zurück ….“ und „…. an Gewicht stark abgenommen.“ Danach folgen die Einträge „Moribunder Zustand“ (07.05.1941) und einen Tag darauf der Vermerk : um 16.00 Uhr gestorben. Es folgt ein Telegramm an den Vater, Beerdigung am Montag (12.05.1941), 10.30 Uhr.

Maria wurde 26 Jahre alt. Sie ist ein Opfer der Gräueltaten des Naziregimes. Eine von 70.000 Menschen, die wegen ihrer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen von 1940 bis 1941 (Aktion T4) ermordet wurden. Viele offene Fragen bleiben. Der Vater kämpfte darum, sein Kind in seiner Nähe zu wissen. Maria, war Tochter, Schwester, Freundin – ein Mensch, der es zu leben verdient hatte.

Der Künstler Gunter Demnig wird am 20. September vor Marias Elternhaus im Gedenken an Maria einen Stolperstein verlegen. Denken wir gemeinsam an Maria, die nach ihrem Leidensweg endlich wieder zuhause ankommt.

Die Quellen wurden durch Franz Meyer erarbeitet und er hat die Fotos zur Verfügung gestellt. Franz Meyer ist der Neffe von Maria und wird die Geschichte seiner Tante anlässlich der Stolpersteinverlegung erzählen.

„Anders – sein ist das Normale.

Jeder Mensch ist für den anderen anders.

Und jeder Mensch hat seinen eigenen Zauber.“

(M. Pistorius-Adams)

Paul Aloysius Meyer wurde am 18.08.1923 in Püttlingen in der Derler Str. 36 (heute 44) als Sohn von Katharina Mathilde geb. Mathis und Aloysius Sebastian Meyer geboren. Paul war der Älteste von fünf Geschwistern. Er kam mit dem Down Syndrom (Trisomie 21) zur Welt und war ein lebensfroher, anhänglicher Junge mit einer Lernbehinderung.

Aus den Erzählungen seiner Schwester Mathilde (Jg. 1934) ist zu erfahren, dass Paul ein liebes Kind war, dass er nie böse oder frech war und er oft mit ihr gespielt hat. Er empfand Stolz über sein Buch, das er ihr zeigte. Weiterhin schildert sie, dass ihre Mutter sehr an Paul gehangen, sie immer auf sein Äußeres geachtet und ihn gepflegt hat. Paul war wie alle anderen in die Familie integriert und in der Nachbarschaft akzeptiert. Ein ehemaliger Nachbar, Hans-Josef Karrenbauer erinnerte sich an Paul als einen kräftigen, harmlosen Jungen, der gerne die Nachbarn besuchte. Er schilderte, dass nicht darüber gesprochen wurde, als Paul plötzlich fernblieb. Mathilde, Pauls Schwester, weiß noch wie „die abends mit genagelten Stiefeln kamen, die Treppe hoch gestürmt und sich das Kind geholt haben.“ „Die Mama und ich haben furchtbar geweint und wollten das nicht. ….. und sie haben ihn einfach geholt…. Es waren keine Soldaten, aber Leute von der Partei.!“ Dies ereignete sich am 06.12.1937. Paul wurde im Alter von 14 Jahren aus seiner Familie gerissen und in die „Heilerziehungsanstalt“ Kalmenhof nach Idstein im Taunus/Hessen auf Veranlassung des Reichskommissars deportiert. (Quelle: Archiv des Landeswohlfahrtsverbands Hessen)

In der Broschüre „Die Geschichte des Saarlandes“ wird beschrieben, dass Oppositionelle, Juden, Sinti und Roma sowie „Erbkranke“ zunehmend der Verfolgung durch die Gestapo ausgesetzt waren. Als Diagnose wurde bei der Zwangseinweisung in der „Heilanstalt“ Kalmenhof „erworbener Schwachsinn und mongoloider Idiotie“ angegeben. Seine Schwester erzählt über Pauls Aufenthalt im Kalmenhof folgendes: Mama und Papa durften ihn vielleicht 1 bis 2 mal im Jahr besuchen, wir Geschwister überhaupt nicht…. Man musste ja eine Bescheinigung für Besuche haben ….. Und sie durften ihn nicht mit nach Hause nehmen ….. Weiter erzählt Mathilde, dass später nicht mehr über Paul gesprochen wurde, denn es war schlimm, wenn andere Kinder sagten: “Ihr habt auch so einen Verrückten, so einen Idioten …., das war ein Makel damals.“ Das Kind wurde totgeschwiegen, auch in der Nachbarschaft.“  Aus Erinnerungen und Erzählungen von Pauls Mutter ist zu erfahren, dass sie bei Besuchen im Kalmenhof sehr betroffen war, dass Paul so abgemagert war.  Zu Hause hat sie sich dann das Essen vom Mund abgespart und einige Essenspakete zu ihm geschickt. Ob Paul diese erhalten hat, ist jedoch ungeklärt. Auch erzählte sie, dass sie bei jedem Besuch ein schlechtes Gewissen hatte und sehr traurig war. War Paul doch ihr erstgeborenes Kind, an dem sie sehr hing, auch wenn er nicht so war wie andere Kinder. Was genau mit Paul im Kalmenhof geschah, konnte nicht recherchiert werden, da die Krankenakte verschollen ist. Die Familie erhielt eine schriftliche Notiz, dass Paul am 26.09.1940 verstorben ist. Die angegebene Todesursache: Mongoloide Idiotie, Lungentuberkulose, Herzschwäche. Paul wurde am 30.09.1940 in Idstein beigesetzt.

Paul wurde 17 Jahre alt. Er ist ein Opfer der Gräueltaten des Naziregimes. Einer von 70.000 Menschen, die wegen ihrer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen von 1940 bis 1941 (Aktion T4) ermordet wurden. Viele offene Fragen bleiben. Die Familie hat Paul nie vergessen. Paul, war Sohn, Bruder, Nachbar – ein Mensch, der es zu leben verdient hatte.

Der Künstler Gunter Demnig wird am 20. September vor Paul´s Elternhaus im Gedenken an ihn einen Stolperstein verlegen. Denken wir gemeinsam an Paul, der nach seinem Leidensweg endlich wieder zuhause ankommt.

Die Quellen wurden durch Martina Pistorius-Adams und Ute Müller erarbeitet und sie haben die Fotos zur Verfügung gestellt. Sie sind Pauls Nichten und werden die Geschichte ihres Onkels anlässlich der Stolpersteinverlegung erzählen.

„Du bist wie eine Farbe. Nicht jeder wird dich mögen. Doch es wird immer jemanden geben, dessen Lieblingsfarbe du bist.“
(Unbekannt)

Rosa Rech, geborene Altmeyer wurde am 17.05.1900 in Köllerbach als Tochter von Barbara geb. Blum und Peter Altmeyer geboren. Als ihre Mutter 1903 im Steinbruch in Köllerbach zu Tode kam, wurde Rosa zur Halbwaisen. Sie lebte bis zu ihrer Hochzeit 1930 in ihrem Elternhaus als Haustochter. Mit ihrem Ehemann, dem Bergmann Peter Rech schenkte sie innerhalb von sechs Jahren fünf Kindern das Leben. Hinzu kamen zwei Jungen, die die Eheleute bereits mit in die Ehe brachten. Kurz nach der Geburt ihres letzten Kindes, 1936, litt Rosa an einer psychischen Überforderung. Recherchen ergaben, dass in der Krankenakte „praktisch über Nacht eine Schizophrenie entwickelt“ vermerkt war.  Bis zu dieser Diagnose galt Rosa als normal, intelligent und mit einer schnellen Auffassungsgabe. Doch nun konnte sie ihre Kinder nicht mehr versorgen und fühlte sich wie gelähmt und verfolgt. Die Folge: sie wurde in die Heilanstalt in Merzig eingewiesen und von dort nach Hadamar verlegt. Hadamar war zu diesem Zeitpunkt noch eine „normale“ Pflege- und Heilanstalt. Als Ende 1940 die Landesheilanstalt Hadamar zur Tötungsanstalt im Rahmen der „Aktion T4“ umgebaut wurde, verlegte man Rosa nach Herborn. Dort wurde sie zwangssterilisiert. Am 07.03.1941 wurde sie nach Hadamar zurückgebracht. Sie wurde fotografiert und ihr Mund wurde auf Goldzähne untersucht. Dann wurde Rosa entkleidet und in den sogenannten Duschraum geführt. Dieser Tag sollte auch ihr Todestag sein.

Rosa wurde 40 Jahre alt. Sie ist ein Opfer der Gräueltaten des Naziregimes. Eine von 70.000 Menschen, die wegen ihrer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen von 1940 bis 1941 (Aktion T4) ermordet wurden. Viele offene Fragen bleiben. Ihre fünf Kinder kamen 1938 in ein Waisenhaus in Kleinblittersdorf und wurden in verschiedenen Pflegefamilien in der Pfalz untergebracht. Rosa durfte ihre Kinder nicht aufwachsen sehen oder ihre Enkelkinder im Arm halten. Nur kurze Zeit durften ihre Kinder ihr Lachen hören, ihre Enkelkinder haben sie nie kennengelernt.. Hätte die Familie dazu nicht ein Recht gehabt? Rosa – ein Mensch, der es zu leben verdient hatte.

Der Künstler Gunter Demnig wird am 20. September in Köllerbach in der Fresagrandinaria Straße im Gedenken an Rosa einen Stolperstein verlegen. Denken wir gemeinsam an Rosa, die nach ihrem Leidensweg endlich wieder in ihrem Geburtsort ankommt.

Die Quellen wurden durch die Enkelkinder erarbeitet. Sie werden die Geschichte ihrer Oma anlässlich der Stolpersteinverlegung erzählen.

„Du bist wie eine Farbe. Nicht jeder wird dich mögen. Doch es wird immer jemanden geben, dessen Lieblingsfarbe du bist.“
(Unbekannt)

Maria Irene Rink geb. Altmeyer wurde am 03. April 1896 in Püttlingen geboren. Sie wuchs als Tochter von Elisabeth geb. Lang und Peter Altmeyer in Püttlingen auf.  Am 08. September 1913 heiratete Maria Irene den Bergmann Peter Rink. Maria Irene hat in den Jahren 1913, 1915, 1917, 1919, 1921 und 1924 vier Mädchen und zwei Jungen geboren. Ottilia (*1915) verstarb am 01.01.1916 im Säuglingsalter, ebenso musste das Ehepaar seinen Sohn Aloysius (*1917) mit 15 Monaten beerdigen. Maria Irene wurde bei einer Operation der Kropf entfernt. Hiervon erholte sie sich nicht und sie wurde am 02.09.1929 in die Anstalt Merzig eingewiesen. Ihre älteste Tochter Maria musste fortan den Haushalt führen und die Geschwister versorgen. Es war ihr Wunsch, eine besondere Ausbildung zu beginnen, jedoch konnte sie aufgrund der Familiensituation diesen Traum nicht realisieren. Der Ehemann besuchte Maria Irene immer wieder in Merzig. 1939 war kein gutes Jahr für die Familie. Der zweite Sohn, Petrus, starb an den Folgen eines Arbeitsunfalls und am 04. Januar 1939 wurde Maria Irene auf Anordnung des Herrn Reichskommissars f. d. Saarland – Abteilung II – Saarbrücken mit einem Sammeltransport von Merzig nach Eichberg gebracht. Dort verbrachte sie ihr letztes Lebensjahr und verstarb am 05. Januar 1940. Als Todesursache wurde Lungentuberkulose und körperlicher Verfall bei Kropfentfernung angegeben. Peter, ihr Ehemann, lebte zu dieser Zeit in der Mozartstr. 8 in Gelsenkirchen-Rotthausen. Dort erhielt er folgende Nachricht: „Wir teilen Ihnen mit dem Ausdruck unseres Beileides mit, daß Ihre Ehefrau Maria Rink geb. Altmeyer am 05. Januar 1940 19.05 Uhr hier verstorben ist. Die Beerdigung ist auf Dienstag den 09. Januar 1940 festgesetzt und findet um 15.00 Uhr auf dem hiesigen Anstaltsfriedhof statt. Der Direktor I.V.“ Maria Irene sollte nach Püttlingen überführt werden. Hierfür wurde vom Beerdigungsinstitut Adolf Volk Mai am 21. September an die Landesheilanstalt Erbach (Rhg) ein Überführungsantrag gestellt, der am 23. September 1940 genehmigt wurde. Im Bestattungsbuch der Stadt Püttlingen konnte jedoch kein Eintrag zur Umbettung von Maria Irene gefunden werden.

Maria Irene wurde 44 Jahre alt. Sie ist ein Opfer der Gräueltaten des Naziregimes. Eine von 70.000 Menschen, die wegen ihrer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen von 1940 bis 1941 (Aktion T4) ermordet wurden. Viele offene Fragen bleiben. Eine Operation, die das Leben einer ganzen Familie veränderte. Sie hat ihre Kinder nicht aufwachsen sehen, hat nicht erlebt, dass diese ihre eigenen Familien gründeten und hat deren Kinder nie kennengelernt. Maria Irene – ein Mensch, der es zu leben verdient hatte.

Der Künstler Gunter Demnig wird am 20. September vor Marias letzten, freigewählten Wohnort im Gedenken an Maria Irene einen Stolperstein verlegen. Denken wir gemeinsam an Maria Irene, die nach ihrem Leidensweg endlich wieder zuhause ankommt.

Die Quellen wurden durch die Projektgruppe „Erinnerungsarbeit Püttlingen“ und Familie Utter erarbeitet und die Familie hat die Fotos zur Verfügung gestellt. Die Geschichte von Maria Irene wird von Schüler*innen der Gemeinschaftsschule Peter-Wust anlässlich der Stolpersteinverlegung erzählt.

Liebe Püttlingerinnen und Püttlinger!

Vor rd. 90 Jahren brachte die Machtergreifung Hitlers über viele Familien großes Leid und Kummer. Das „Nazi-Regime“ begann unmittelbar danach mit der Verfolgung von Menschen mit Behinderung, jüdischen Mitmenschen, Homosexuellen und politisch Andersdenkenden. Sie wurden gedemütigt, gepeinigt, deportiert und oftmals umgebracht. Um an das Schicksal dieser Menschen zu erinnern, rief der Künstler Gunter Demnig das Projekt „Stolpersteine“ ins Leben. Nun wollen wir auch in Püttlingen ein Zeichen setzen und an das Schicksal dieser Menschen erinnern. Die Anregung von Prof. Dr. Franz Folz auch in Püttlingen Stolpersteine zu verlegen, nahm unsere Bürgermeisterin, Frau Denise Klein, zum Anlass, interessierte Bürgerinnen und Bürger ins Mehrgenerationenhaus Püttlingen am 03.03.2022 einzuladen. Rund 20 Menschen trafen sich und gründeten spontan die Bürgerinitiative „Erinnerungsarbeit Püttlingen“. Wir erhielten an diesem Abend von Frau Jungfleisch (Stolpersteinaktion Riegelsberg) und Pfarrer Prof. Dr. Joachim Conrad erste Informationen über die Aktion „Stolpersteinverlegung“. Fünf Arbeitskreise begannen mit der Aufarbeitung der Schicksale Püttlinger Bürgerinnen und Bürger. Zusätzlich nahmen wir uns auch des Schicksals der beiden jungen Soldaten an, die kurz vor Kriegsende im „Köllerbacher Steinbruch“ erschossen wurden. Folgende Arbeitskreise wurden gebildet:

  • Arbeitskreis Krankenmorde (Euthanasieopfer)
  • Jüdische Opfer / Sinti und Roma
  • Politisch Verfolgte / Zwangsarbeiter
  • Verfolgung von Homosexuellen und Lesben
  • Soldatenmord an Wilhelm Küpper und Helmut Langer

Die Recherchearbeiten, die im Ehrenamt ausgeführt wurden, gestalteten sich oftmals mühevoll.  Die Familien der Betroffenen leisteten hier eine wertvolle Hilfestellung und Unterstützung bei der Aufarbeitung der Einzelschicksale. In einem ersten Schritt können wir am 20.09.2023 für folgende Personen Stolpersteine verlegen:

  • Rosa Rech, Fresagrandinariaplatz Köllerbach
  • Maria Irene Rink, Weiherbergstraße 38
  • Maria Alt, Bärenbergstraße 124
  • Paul Aloysius Meyer, Derler Straße 44

Herr Demnig kommt am 20. September nach Püttlingen und wird die Verlegung selbst durchführen. Finanziert werden die Maßnahmen aus Spenden. In der kommenden Zeit werden wir die Schicksale weiterer Opfer des Nazi-Regimes recherchieren, so dass wir auch diesen Menschen einen Stolperstein zum Gedenken widmen können. Ich möchte mich bei allen Mitstreiterinnen und Mitstreitern für ihr großes Engagement bedanken. Mein Dank geht auch an die großzügigen Spender.

Martin Schmidt

Sprecher der Initiative

„Erinnerungsarbeit Püttlingen“