Die Hinrichtung der Jungsoldaten Josef Langer aus Dortmund und Wilhelm Küpper aus Hemmerich bei Bonn in unserer Heimatgemeinde Köllerbach gehört zeitgeschichtlich zu dem Tatkomplex der „NS-Endphaseverbrechen“.
Der historisch geprägte Begriffsinhalt beschreibt nationalsozialistische Verbrechen, die in den letzten Wochen und Monaten des 2. Weltkrieges, in der Zeit von Januar 1945 bis zum lokalen Ende der Kriegshandlungen, begangen wurden. Für die damalige selbständige Kommune Köllerbach umfasst er das erste Vierteljahr 1945; die amerikanische Armee marschierte am 20. März 1945 über Herchenbach ein.
Die Endphaseverbrecher gehörten NS-Organisationen wie der Gestapo, der SS oder der Wehrmacht an. Opfer waren Zivilisten und Soldaten, die der Wehrkraftzersetzung, der Fahnenflucht oder der Feigheit vor dem Feind beschuldigt wurden. Die Täter wurden in der späteren BRD nur selten zur Rechenschaft gezogen, da die Ermittlungsverfahren gegen NS-Täter infolge des 1954 erlassenen Straffreiheitsge-setzes sehr eingeschränkt waren.
Wegen des Tatmotivs „auf Grund eines Befehls“, dem sogenannten „Befehlsnotstand“, wurden Amnestien erlassen für Straftaten, die
„unter dem Einfluss der außergewöhnlichen Verhältnisse zwischen dem 1.Oktober 1944 und dem 31. Oktober 1945 in der Annahme einer Amts-, Dienst- oder Rechtspflicht, insbesondere auf Grund eines Befehls"
begangen worden waren.
Auch aufgrund des sogenannten Richterprivilegs und auch der noch bis in die 70er Jahre nachhaltenden Verflechtungen dieses Berufsstandes mit der früheren NS-Ideologie sind Beteiligte an Standgerichtsurteilen nur selten rechtskräftig verurteilt worden.
Im politischen System der BRD wurde die juristische Aufhebung von NS-Unrechtsurteilen von Standgerichten bis in die 80er nur marginal thematisiert.
Erst die „Filbinger - Affäre“ Ende der 70er Jahren entfachte eine vertiefte politische Diskussion um die NS-Vergangenheitsbewältigung. Die Bemühungen um eine Rehabilitierung von Opfern der NS-Militärjustiz bekamen einen neuen Impuls. Filbingers Wirken als ein Marinerichter (Schutzbehauptung: „Was damals Recht war kann heute kein Unrecht sein“), der mehrere Todesurteile gegen Marinesoldaten initiierte, erklärt das frühere Handeln vieler Kriegsrichter und deren spätere bornierten „Einsichten“. Sie hätten auch im NS-Staat bei weniger durch sie verursachten Blutzoll kaum etwas zu befürchten gehabt.
Auch in der BRD blockte der BGH die Strafverfolgung von NS-Juristen bis in die 90er Jahre zunächst ab, ehe er ein halbes Jahrhundert nach Ende des Krieges am 16. November 1995 feststellte,
„Die NS-Justiz hat die Todesstrafe beispiellos missbraucht. Ihre Recht-sprechung ist angesichts exzessiver Verhängung von Todesstrafen nicht zu Unrecht oft als „Blutjustiz“ bezeichnet worden“.
Eine Vielzahl ehemaliger Richter, die ihre in der NS-Zeit begonnene Karriere in der Bundesrepublik bis in höchste Ämter fortsetzen konnten, hätten
„strafrechtlich wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Kapitalverbrechen zur Verantwortung gezogen werden müssen …“.
Die Realität sah hingegen anders aus: Nicht selten wurden juristisch hochgebildete NS-Täter, auch im Saarland, mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Oder sie waren Ehrensenatoren der Universität wie Heinrich Welsch, Gestapoleiter in Trier und juristischer „Mitbegleiter“ des „Euthanasie-Programmes“ - er brachte es sogar bis zum Ministerpräsidenten des Saarlandes.
Seine spätere einflussreiche Nachkriegsposition im saarländischen Gesundheits-wesen konnte er offenkundig ausnutzen, um führenden NS-Genossen entlastende Zeugnisse – sogenannte „Persilscheine“ – auszustellen.
Angesichts dieser politisch-juristischen Lage mit NS-gefärbten Protagonisten in entscheidenden Verwaltungsstellen der BRD ist nachvollziehbar, dass Unrechtsurteile von Standgerichten der NS-Zeit erst ca. 50 Jahre später, am 1. September 1998, durch ein Aufhebungsgesetz pauschal für nichtig erklärt worden sind.
Obwohl im Gesetzentwurf vorgesehen, wurden die Urteile gegen Deserteure erst 4 Jahre später durch Bundestagsbeschluss aufgehoben.
Vor diesem politischen Hintergrund ist auch gegen die Haupttäter der Jungsoldatenmorde in Köllerbach nie ermittelt worden. Eine Verurteilung, etwa des vorsitzenden Kriegsrichters, wäre auch nicht zu erwarten gewesen.
Die Täter hätten sich für den Tatzeitraum Februar/März 1945 auf einen vermeintlichen Notstand „in der Annahme einer Amts-, Dienst- oder Rechtspflicht“ nach Weisungen der in Köllerbach agierenden Militärs der 347. Inf-Div. berufen können.
Anfang 1945 wurde eine militärjuristische Rechtsprechung von Reichsjustizminister Thierack in Form von Standgerichten für „frontnahe Landesbezirke“ erlassen. Sie richtete sich „gegen zunehmende Auflösungserscheinungen“ in der Wehrmacht.
Ab dem 15. Februar galt für feindbedrohte Reichsverteidigungsbezirke die „Verord-nung über die Errichtung von Standgerichten“ für „alle Straftaten“, durch die „die deutsche Kampfkraft oder Kampfentschlossenheit gefährdet“ sei.
Die Verordnung sah noch ein nichtmilitärisches Gerichtsmitglied eines zumeist lokalen politischen Leiters oder Gliederungsführers der NSDAP vor.
Danach bestand für die beiden Jungsoldaten eine Überlebenschance.
Josef Langer ist noch als Schüler an Führers Geburtstag am 20. April in die NSDAP eingetreten. Das Eintrittsdatum lässt vermuten, dass der gesamte Abiturjahrgang möglicherweise von einem NS-strammen Lehrer dazu genötigt worden ist. Auch mag eine Mitgliedschaft für einen intelligenten 18-jährigen Abiturienten, angesichts der Kriegslage in der heftig angegriffenen Heimat- und Industriestadt Dortmund, als opportun erschienen sein.
Offenbar gelang es dem belesenen Josef Langer im späteren „Pohlschen Hausarrest“, seinen an Lese-/Schreibschwäche leidenden Kameraden Wilhelm Küpper davon zu überzeugen, dass Abwarten sinnvoller wäre als Flucht. Durch eine juris-tisch wirksame Fürsprache durch den Amtsbürgermeister Jakob Feld hätte ein einstimmiger Gerichtsbeschluss auf jeden Fall verhindert werden können – was Aufschub bedeutete. Vor dem sich abzeichnenden Kriegsende konnte Hoffnung bestehen.
Das Kalkül ging nicht mehr auf, weil während ihrer mehrtägigen Arrestierung am 26.02.45 eine verschärfte militärjuristische Grundlage in Form von Sonderstandgerichten erlassen wurde.
Aus der daraus resultierenden Nichtmitgliedschaft des Amtsbürgermeisters kann auf das Zeitfenster der Kriegsgerichtssitzung geschlossen werden. Demnach kann das Sonderstandgericht frühestens erst ab dem 26. Februar 1945 zusammengetreten sein. Es bestand nur noch aus drei Mitgliedern, dem vorsitzenden juristisch gebildeten Kriegsrichter (später genügte auch eine geringere juristische Vorbildung) und zwei Offizieren als Beisitzer. Auf Befehl von Heinrich Himmler sollte nur auf Freispruch oder Tod beschlossen werden können.
Tatsächlich setzten die ca. 2.500 Kriegsrichter mit ihrer „Blutjustiz“ Himmlers Befehl und damit die NS-Kriegsführung bis zum „Endsieg“ „tatkräftig“ um - Todesurteile wurden häufig schon vor der Gerichtssitzung schriftlich verfasst. „Feigheit vor dem Feind“ lautete eine Standardbegründung für ein Todesurteil der scharfen und feigen „NS-Etappenhasen“. Fast alle haben den Krieg überlebt und sind in höheren beamteten Staatspositionen gelandet.
Die Ausführung ihrer Hinrichtungsurteile wurden begünstigt, weil im Falle des Nichterreichens der Urteilsbestätigung durch den Div.-Chef als oberstem Gerichts-herr das Gericht sein eigenes Urteil durch einstimmigen Beschluss selbst bestätigen konnte. Daraus resultiert, dass der Tod der Jungsoldaten einstimmig beschlossen worden sein muss. Der zeitliche Ablauf von der Urteilsfindung nach dem 26.02. bis zur Vollstreckung am 03.03., die Schüsse fielen gegen 19.07 Uhr, offenbart auch die Nichteinhaltung der 7-Tage Einspruchsfrist bei Todesurteilen.
Die schnelle Realisierung des Urteiles und die zuvor makabre öffentliche Inszenierung eines Todesmarsches bis zur Hinrichtungsstätte deutet darauf hin, dass es dem NS-Militär nicht um Schuld, sondern um Abschreckung ging. Auflösungserscheinungen in der 347. Inf.-Frontdivision sollten vorgebeugt werden – aber mussten zwei junge Kriegskameraden nicht nur geopfert, sondern zuvor auch noch durch unmenschliche Behandlung entwürdigt und gedemütigt werden?
Es fehlen eindeutige Hinweise auf den tatsächlichen Ablauf der Kriegsgerichts-sitzung. Die Urteilsfindung ist weder genau zu datieren noch zu lokalisieren. Ein Sitzungsprotokoll bzw. ein Urteil liegt nicht vor. Eine für den Tathergang relevante bzw. verantwortliche Person ist nicht mehr identifizierbar.
Die vorhandenen Veröffentlichungen basieren teilweise auf Mutmaßungen und weisen Widersprüchlichkeiten auf. Es fehlen letztendlich Details, um die tatsächlichen Abläufe, die zu Verhaftung, Inhaftierung und Hinrichtung führten, hinreichend sicher belegen zu können.
Es bleibt nur eine Rekonstruktion anhand von Indizien – es ist der Preis zu zahlen, wenn die Aufklärung der Geschehnisse zu spät kommt. Insbesondere fehlen Zeitzeugen, die als Erwachsene aktiv oder zumindest näher in das Tatgeschehen rund um die Urteilsfindung eingebunden gewesen wären.
Eine Zeitzeugin, damals 12 Jahre alt, erinnert sich an einen Vorfall, als sie mit ihrer Mutter Ende Februar/Anfang März 1945 die Köllerbachbrücke in Höhe der Fa. Probst überquerte. Ein älterer Nachbar vom Sommerberg, zum Volkssturm abgeordnet, mit Gewehr bewaffnet, wäre mit den beiden Jungsoldaten entgegengekommen. Zur Mutter gewandt hätte er gesagt:
„Die beiden werden erschossen“.
Das Gericht musste also da schon getagt haben – was Behauptungen widerspricht, Gerichts- und Hinrichtungstermin hätten am gleichen Tag, am 03.03.45, stattgefunden. Die Exekution, Tage nach der Gerichtssitzung, deutet auch darauf hin, dass das Todesurteil und die Hinrichtung durch Erschießen von vorneherein feststand. Das Urteil wurde nach der Kriegsgerichtssitzung auch nicht offiziell verkündet – weshalb die Jungsoldaten bis zuletzt noch Hoffnung haben konnten.
Die Lebenssituation der „Delinquenten“ stellt sich daher nachvollziehbar ambivalent dar. Einerseits hatten sie möglicherweise nur mittelbar von der Verurteilung zum Tod erfahren, weshalb sie angesichts ihrer Bewegungsfreiheit und des nahenden Kriegsendes bis zuletzt hoffen konnten. Andererseits waren sie sicherlich noch arglos, als sie von ihrem informierten Kommandeur veranlasst wurden, unwissentlich ihre eigenen Gräber auszuheben – wahrscheinlich genau am Todestag.
Nach intensiven Recherchen der Initiativgruppe „Soldatenmorde“ muss leider konstatiert werden:
Die Details der Umstände, die zu dem gewaltsamen Tod der beiden jugendlichen Soldaten führte, und die eigentlichen Hintergründe zur Urteilsfindung werden wohl für immer im „Dunkeln“ bleiben müssen. Insgesamt drängt sich das Bild von hinterhältigen Machenschaften einzelner NS-Militärtäter auf.
Weil auch das Militärarchiv der BRD über keine Unterlagen zu Standgerichten verfügt, gibt es weder Informationen über die Täter, über das Urteil des Sonder-standgerichtes, noch eindeutige Hinweise zum eigentlichen Grund der Verhaftung und der Verurteilung.
Der konkrete Zeitpunkt der Festnahme der beiden Jungsoldaten ist hingegen unter dem Aspekt des Kriegsgeschehens eingrenzbar.
Es ist anzunehmen, dass sie im Zeitfenster 15. bis 20. Februar 1945 festgenommen wurden. Dies deckt sich mit der seinerzeitigen Intensivierung der Kampfhandlungen um den kriegswichtigen Besitz der Spicherer Höhen, dem Einsatzgebiet der beiden Jungsoldaten in dem relevanten Tatzeitraum. Wo sie festgenommen wurden, ist nicht mehr eindeutig rekonstruierbar.
Aus heutiger Sicht kam der Stellungsbefehl zum Einsatz an der Westfront Ende 1944 für die Jungsoldaten Langer und Küpper einem Himmelfahrtskommando nahe. Allein im Januar 1945 fielen über 450.000 Soldaten. In dieser Kriegsendphase bis April häuften sich die Personalverluste auf fast ein Drittel aller während des gesamten Krieges gefallener deutscher Soldaten.
Ein hoher Blutzoll entfiel auf die Geburtskohorten der 1926er und 1927er Jahrgänge, die, erst 16 bzw. 17 Jahre alt, nach kurzer Militärausbildung innerhalb ihres Reichs-arbeitsdienstes (RAD) zumeist direkt in den Fronteinsatz befohlen wurden. Die spärlich ausgebildeten Jungsoldaten wurden ohne Kampferfahrung regelrecht „verheizt“.
In eine solche Kriegssituation gerieten die Jungsoldaten bei ihrem ersten Stellungsbefehl nach Köllerbach zu der bereits stark dezimierten 347. Inf.-Division. Diese hatte den Auftrag, die kriegswichtige Industrieregion vor den Angriffen einer amerikanischen Inf.-Div., in der Hauptkampflinie Saarbrücken-Dillingen, zu verteidigen. Nach mehrmaligen Ortswechseln ist am 2. Dez. 1944 der Divisionsgefechtsstand in Püttlingen-Köllerbach neu eingerichtet worden. Mit 2.600 Soldaten hatte die Division quantitativ nur noch eine rudimentäre Kampfstärke.
Nach internen Heeresquellen konnte auch in qualitativer Hinsicht den gut ausgebildeten und ausgerüsteten Soldaten der amerikanischen Armee wenig entgegengesetzt werden. Dies belegt eine interne Meldung vom 06. Dezember 1944 an die übergeordnete Kommandobehörde der Westfront, die Heeresgruppe G, wonach die Division zusammengesetzt ist
„aus unausgebildeten Luftwaffensoldaten (wie Josef Langer und Wilhelm Küpper) und Versprengten; infolge schlechter Waffenausstattung geringer Kampfwert, für Großkampf unbrauchbar“.
Die Kampfhandlungen konzentrierten sich ab Januar 1945 südlich von Saarbrücken im Bereich der Spicherer Höhen – wegen seiner kriegswirtschaftlichen Bedeutung sollte die Industrieregion nicht verloren gehen. Dennoch gelang es ab Mitte Februar der 70. US-Inf.-Div. in intensiven Nahkämpfen unter Einsatz von Phosphorbomben, einzelne Stellungen der Wehrmacht auf den Spicherer Höhen unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Wehrmacht erlitt in dieser Zeit die höchsten Verluste – es entstanden temporär konfuse Frontsituationen mit zeitweiliger Auflösung von Kampf-verbänden.
Es kann nachempfunden werden, dass die beiden Jungsoldaten bei diesen heftigen Kämpfen möglicherweise im Sinne ihrer persönlichen Sicherheit soldatisch irrational aber menschlich nachvollziehbar reagierten – und, weil auch offenbar führungslos, sich zurück zu ihrem Standort Köllerbach begeben wollten.
Am 20. Februar wurden die Spicherer Höhen von den Amerikanern endgültig eingenommen – Josef Langer und Wilhelm Küpper sind da schon mit hoher Wahrschein-lichkeit von der Feldgendarmerie irgendwo aufgegriffen, in „Längersch Haus“ in Rittenhofen verhört und mit anderen Jungsoldaten zusammen im „Hause Pohl“ in der Sprenger Straße festgesetzt worden.
Zu Beginn des Jahres 1945 befand sich unsere Köllerbacher Heimat in der schrecklichen Endphase des 2. Weltkrieges – Köllerbach stand unter Artilleriebeschuss, die Front war nur noch ca. 15 km entfernt.
Militärstrategisch war Köllerbach-Püttlingen Aufmarsch- und Stationierungsgebiet. In fast jedem Haus waren Soldaten bzw. Offiziere untergebracht, die mehr oder weniger den Durchhalteparolen bis zum Endsieg glaubten. So wird von einer Zeitzeugin von einer Aussage eines bis zuletzt NS-fanatischen Offiziers berichtet, der im Haus ihrer Eltern in der Sprenger Straße einquartiert war:
„Wenn der Krieg verloren geht, muss ich mich erschießen“.
Der Einmarsch der amerikanischen Armee in Köllerbach wurde ab Mitte März 1945 täglich erwartet. Nichtsdestotrotz litt die Bevölkerung bis zuletzt unter dem Nazi-Terror, der sich in dieser Endphase des Krieges vor allem aus dem sie unmittelbar umgebenden NS-Militarismus speiste. Die in diesen absehbar letzten Kriegstagen in Köllerbach verübte sinnlose Exekution der beiden jungen Soldaten erzeugte ein kollektives Trauma, das nicht nur die hilflose Köllerbacher Bevölkerung erfasste.
„Sind nicht schon so viele gefallen, müssen die beiden Jungen jetzt auch noch erschossen werden…?“.
So beschreibt eine Zeitzeugin die Aussage ihrer Mutter. Eine andere Zeitzeugin berichtet von der Betroffenheit der Soldaten, selbst der ermittelnden Feldgendarmen, die hilflos die Erschießung miterleben mussten.
Es ist für uns als Köllerbacher Arbeitsgruppe „Jungsoldatenmorde“ immer wieder erstaunlich, wie sich ältere und hochbetagte Mitbürger*innen noch aus ihrer damaligen Kindersicht an Einzelheiten der Vorkommnisse um das tödliche Schicksal der gerade 19 Jahre alt gewordenen Soldaten erinnern können, als sei es erst in jüngster Zeit passiert – immerhin sind 80 Jahre verstrichen! Es herrschte damals eine große Betroffenheit in der Köllerbacher Bevölkerung. Die sinnlose Exekution und ihre Durchführung wurde als maßloses Unrecht empfunden – trotz dem persönlichen Leid durch Verlust von Familienmitgliedern infolge von Kriegshandlungen.
Viele hatten tagtäglich Kontakt mit den beiden Jungen. Sie waren tagsüber in den Alltag der Rittenhofen-Köllner Bevölkerung integriert - spielten mit den Kindern, waren Helfer auf dem Feld, unterstützten beim Pferdehüten und saßen auch am Mittagstisch.
Die Militärführung wollte die Hinrichtungsvorbereitungen bis zuletzt verdeckt halten. Die Umsetzung geschah dann offenbar auch sehr kurzfristig: Ein Bauer wurde dazu verdonnert, abgesägte Telefonpfosten zum Mohmschen Steinbruch per Pferd zu transportieren. In Rittenhofen beherbergte Soldaten wurden plötzlich zur Er-schießung abkommandiert.
Erst ab diesem Zeitpunkt erkannten die Menschen das Unvermeidbare – manche bedauerten, den Jungsoldaten nicht schon zuvor mit Rat und Tat zur Flucht verholfen zu haben. Die Ohnmacht der Bevölkerung gegenüber dieser für sie plötzlich angeordneten Militäraktion ist leicht nachempfindbar.
Die Brutalität und Menschenverachtung der zuständigen Militärs in dieser auch ihnen bewussten Endphase des Krieges kommt durch ihre öffentlichkeitswirksame Hinrichtungsinszenierung zum Ausdruck. Die beiden jungen Männer sollten bis zur Hinrichtungsstätte im Mohmschen Steinbruch zuvor in der Öffentlichkeit noch gedemütigt und entwürdigt werden.
Ein Augenzeuge des Tatzeitraumes berichtet, wie die beiden dazu genötigt wurden, die Sprenger Straße einige Meter vor einem im Schritttempo folgenden dunkel-grünen Wehrmachts-LKW bis zur linken Abbiegung in den Steinbruch hinaufzu-gehen – ihre Todesangst ist unvorstellbar.
Er kann sich noch genau erinnern, die Ladeklappe des LKW`s war beim Hochfahren hochgeklappt. Er sah kurze Zeit später den gleichen LKW wieder die Sprenger Straße hinunterfahren - mit umgeklappter Ladeklappe und 4 aufragenden Füßen.
Bis Mitte März 1945, dem Einmarsch der amerikanischen Armee, hatte der Terror des Hitlerregimes und der daraus resultierende Militarismus bis zuletzt auch seine Wirkung in Köllerbach entfaltet – der Zustand des von Goebbels propagierten „totalen Krieges“.
Diese Parole diente als Rechtfertigung für eine gewaltsame Verfügung über Eigentum, Leben und Grundrechte - Bevölkerung und Wirtschaft waren dem NS-Militärrecht unterstellt.
Zwar befand sich unsere Region im März 1945 noch durch den von 1935 bis 1945 amtierenden Amtsbürgermeister Jakob Feld und der fein strukturierten NS-Gliederung in Zellen- und Blockwarte politisch unter nationalsozialistischer Herrschaft. De facto hatte jedoch das örtlich ansässige NS-Militär das Sagen.
Der „Meyersch Jäb“, wie Jakob Feld genannt wurde, galt als ein für die Köllerbacher Bevölkerung loyaler und zugewandter Bürgermeister. Es ist angesichts der Brutalität dieses in der 347. Inf.-Div. agierenden NS-Militärs nachvollziehbar, dass die Einwirkungen und Fürsprachen des Bürgermeisters und von Köllerbacher Bürgern auf das Sonderstandgericht von vorneherein aussichtlos sein mussten. Die Urteilsbildung des Sonderstandgerichtes geschah allein nach den Maßstäben eines faschistoiden Militarismus. Dessen ideologische Basis bildete ein sogenannter „heiliger“ Eid vom 20. Juli 1935. Hierin wird ein unbedingter Gehorsam als tapferer Soldat unter Einsatz des eigenen Lebens verlangt – geschworen auf die Person Adolf Hitler.
Das Kriegsgericht, das angeblich in der Engelfanger Str. 24 zusammengetreten sein soll, hatte nur den Zweck, „Rechtmäßigkeit“ zu suggerieren. Die unrechtmäßigen Todesurteile für Josef Langer und Wilhelm Küpper standen schon von vorneherein fest.
Die beiden Stelen, auf den Originalsteinen des Mohmschen Steinbruches gegenüber der Eingangspforte der denkmalgeschützten Martinskirche der evangelischen Kirchengemeinde Kölln aufgestellt, sollen an die unrechtmäßige Erschießung der Jungsoldaten Josef Langer und Wilhelm Küpper erinnern. Sie sind auch ein Mahnmal gegen Krieg und Militarismus und den sinnlosen Tod von über hunderttausend Jungsoldaten in der Endphase des 2. Weltkrieges.
Püttlingen, den 16.01.2025
Technologierat Prof. Dr.-Ing. Franz Folz